Archiv der Kategorie: Kurzgeschichten

im Lichtermeer

Wie ist es, ein Licht zu sein? Warum frage ich mich das erst jetzt? Wo ist ein Licht zu Hause? Ich sehe ein Licht. Nur ein kleines, aber Licht ist doch unendlich. Eine Laterne. Eine große, schwarze Laterne aus Metall. Und das Licht darin kämpft um jede Aufmerksamkeit, die es bekommen kann. Es flackert und lodert und wird doch immer kleiner. Ist das der Sinn? Zu kämpfen, bis zum letztem Atemzug? Bestimmt nicht. Es gibt immer einen Grund, für den man kämpft. Das Licht will gesehen werden. Schöne Dinge schreien nicht nach Aufmerksamkeit, aber trotzdem wollen sie gesehen werden. Ein kleiner Luftzug kann reichen, um das Licht zu löschen. Aber es könnte eben jener Zug sein, der es nur weiter anfacht. Es größer macht. Und stärker. Was uns nicht umbringt, macht uns stärker. Jeder Mensch kämpft für sich, und so auch jedes Licht. In der Welt gibt es zu viel Dunkelheit, die bekämpft werden will. Bringt es da überhaupt etwas, wenn man sich die Mühe macht? Ein kleines bisschen Licht in einem unendlichen Meer aus Dunkelheit? Sicher. Denn wenn zwei Lichter aufeinander treffen, entsteht etwas Fantastisches: Lichterstürme. Starkes Licht, wie man es nur bei zwei Lichtern beobachten kann. Denn niemand ist allein. Und wenn wir uns im tiefsten Dunkel befinden. Irgendwo gibt es ein Licht, das für uns scheint. Das sich an uns erinnert. Ich glaube das ist es, was uns wirklich antreibt. Wir wollen uns zu jenem anderen Licht vorkämpfen um nicht länger allein zu sein. Und die Kraft, die dort IMG_5466aufeinander trifft, erleuchtet die Welt und gibt allen Menschen Hoffnung. Manche Wege scheinen lang, doch mit einem Ziel werden sie nur kürzer. Ich habe oft das Gefühl, Menschen zu verletzen. Aber man muss an manchen
Lichtern vorbeiziehen, um jenes zu erreichen, welches man will. Man kann nicht jedes Ziel annehmen. Man muss sich entscheiden. Kann man mit jeder Entscheidung glücklich sein? Was ist, wenn man nun zwischen zwei Varianten entscheiden muss, die beide nicht verlockend sind? Das ist nicht mein Problem. Sondern das man mit dem einen das andere ausschließt. Da hilft vielleicht nur, ein neues, unabhängiges Ziel zu finden. Aber manchmal hat man diese Möglichkeit nicht. Wenn ein Licht sich einmal für eine Richtung entschieden hat, kann es diese nicht so einfach ändern. Ich wäre kein gutes Licht. Ständig wür
de ich versuchen, aus dem Rahmen auszubrechen, um neue Wege einzuschlagen. Aber nicht dieses Mal. Man muss etwas zum Ende führen, um vollkommen zu sein. Jeder abgebrochene Weg nimmt ein wenig Licht von uns solang bis wir
nur noch ein schwacher Schimmer unserer Seele sind. Daher muss man kämpfen, mit dem letzten Rest an Kraft, den man hat. Und manchmal entsteht daraus etwas völlig neues. Mein Licht wurde gesehen. Es flackert in seiner Laterne, als sei es glücklich darüber. War ich vielleicht das Ziel? Denn ein Wind fegt durch den Raum und zerrt an meiner Flamme. Trotzdem wiegt sie sich im Wind, als wäre es ihr Recht. Sie strahlt heller als je zuvor. Dann ist der Wind zu stark. Die Flamme erlischt. Und zurück bleibt nur die Erinnerung an eine Flamme, die mir die Augen geöffnet hat.

Der Duft des Hibiskus

Es war natürlich nicht das erste Mal, dass ich auf Hawaii war. Ich liebte die Insel und kam in meinen freien Tagen immer wieder hierher. Manche Tage genoss ich einfach und ließ mich bedienen. Doch da gab es Tage wie heute, an denen ich Tatendrang verspürte und mich aufmachte, die Insel zu erkunden. Da ich so oft hier war würde es sich für mich lohnen, einen kleinen Bungalow zu kaufen. Bei einem meiner Spaziergänge hatte ich auch tatsächlich ein schönes Exemplar gefunden. Am Nachmittag diesen Tages suchte ich mir eine Maklerin für das Objekt meiner Sehnsucht. Als wir ankamen, schwang mir direkt der Geruch vom Salzwasser entgegen. Die Aussicht war fantastisch. Ich drehte eine Runde durch die Bleibe. Es war eine geräumige Wohnung mit großen Fenstern, einer modernen Küche und einem wunderschönen, grünem Garten. Ich blieb einem Moment im Garten um das Gefühl in mich aufzusaugen.
Am Grundstücksrand entdeckte ich eine Hibiskus-Pflanze mit tiefroten Blüten. Wie hypnotisiert ging ich auf den Busch zu und streckte meine linke Hand nach einer der Blüten aus. Als ich sie pflückte und an meine Nase führte, erlebte ich etwas, was mein Leben verändern sollte:
Wie berauscht steckte ich mir die Blüte ins Haar. Wie aus heiterem Himmel trug ich ein weißes Kleid, lang und trägerlos. Meine Haare fielen mir offen über den Rücken. Ich hörte leises Murmeln hinter mir aus dem Garten. Wer konnte das sein? Starke Arme legten sich um meinen Bauch und hoben mich hoch. Ich lachte laut auf und rief „Lass mich runter! Bitte!“ Der junge Mann kitzelte mich unbarmherzig am Bauch und ich kicherte fröhlich vor mich hin. „Man darf die Braut nicht vorher sehen!“ sagte ich ihm als er mich an sich zog. Er hatte braune, halblange Haare und stahlblaue Augen. Ein Name lag mir auf der Zunge aber ich konnte ihn nicht fassen. Das alles spielte im nächsten Moment schon keine Rolle mehr, als er seine Lippen auf meine legte und mich fester an sich zog.

Ich löste mich von ihm und sah in sein Gesicht. Auch er schien in dieser Nacht wenig Schlaf bekommen zu haben. Die kleine schrie fast bis in die Morgenstunden, doch war nun endlich eingeschlafen. Wir waren erfolgreich wach was dazu führte, das wir uns bereits um 3:00 Morgens auf die Veranda setzten. Irgendwie kamen wir zu diesem Kuss. Und es wurden mehr. Lauter kleine Küsse verteilte er auf meinem Schlüsselbein ehe er sich wieder meinem Mund zuwandte. Er war so wunderschön. Wie immer schaute er mich erst fragend an, als er schließlich meine Träger von den Schultern schob und mich auf seinen Schoß setzte. Ich spürte seine Wärme an meinem Körper und ließ mich ganz in diesen Moment fallen.

Als ich die Augen öffne, lächelt er. Die Zeit hat sein Gesicht altern lassen…wie meines. Nun liegt er hier vor mir, in unserem Bett. Unsere Tochter ist weg, zu weit um uns noch einmal zu sehen ehe die Zeit mit ihren langen Fingern nach uns greift und uns zu sich nimmt. Ich lege mich neben ihn und verflechte seine Finger mit meinen. Einen letzten Atemzug habe ich noch und ich wüsste nicht wie ich ihn besser verwenden könnte als zu sagen:
„Ich liebe dich“
Er verlässt meine Lungen und ist nicht mehr als ein Hauchen, als mir meine Augen zufallen.

Ich schrecke auf und lasse die Blüte fallen. Die Maklerin kommt zu mir und fragt mich: „Ist alles in Ordnung mit ihnen?“ Ich antworte ihr, dass es so wäre worauf sie mich fragt ob das Haus denn passend wäre. Ich zögere weil ich einen Gärtner entdecke, der mir freundlich zulächelt. Diese Augen. Ich kenne sie wie meine eigenen.
„Ja,“ sage ich. „Nichts wäre mir lieber.“

Der Freund im Ohr

Weißt du was ich habe? Ich habe einen Freund. Sicher, das ist nichts besonderes, denn jeder hat einen Freund. Manche haben sogar zwei oder gleich eine ganze Gruppe! Ich habe einen. Das spezielle an ihm ist, das keiner ihn sehen kann. Halt, warte! Geh noch nicht weg. Verrückt bin ich nicht. Denn ich kann ihn ja sehen. Keiner glaubt es mir, aber ich habe den Beweis.
Er wohnt in meinem Zimmer. Ganz klein ist er. Jeden Tag höre ich von ihn. Er hat ein Zimmer gleich neben meinem Ohr. Fast jeden Tag kommt er mit mir zur Schule. Oder in die Stadt. Egal wo ich bin, er ist auch da. Er kann auch mit mir reden! Das passiert nicht selten. Plötzlich hab ich seine Stimme im Ohr. Er flüstert manchmal nur ganz leise, und vorsichtig. Aber manchmal, da ist er laut und schrill, da schreit er regelrecht!
Er ist Musiker. Ein ganz besonderer sogar. Alle Instrumente kann er spielen! Ob Geige oder Flöte, Piano oder Mundharmonika. Ich kenne kein Instrument, was er nicht spielen kann. Und auch singen kann er ganz hervorragend. Manchmal sitze ich stundenlang an einem ruhigem Ort und höre ihm einfach nur zu. Die Menschen sagen dann: Du bist ja verrückt! Aber das bin ich nicht.
Gestritten haben wir uns noch nie. Er hat die gleichen Vorlieben wie ich. Außerdem sind wir ja jeden Tag zusammen! Einsam fühlt er sich nicht, denn solang er seine Musik hat, ist er glücklich. Ihm reicht auch ein kleiner Rhythmus, ein wenig Getrommel, zum glücklich sein.Gesehen hab ich ihn noch nie. Manchmal frage ich mich, ob er außer mir auch selbst einen Freund im Ohr hat, dem er zuhören kann. Und wenn Ja, hat dieser Freund dann auch einen? Dann denke ich immer, das es unglaublich ist wie viele Wesen ich in meinem Ohr habe.
Sicher haben auch alle anderen auf dieser Welt einen kleinen Freund im Ohr. Sie wollen es bloß nicht sagen. Vielleicht haben sie Angst das man sie auslacht oder das ihr Freund dann verschwindet. Aber ich und mein Freund im Ohr verstehen uns so gut, wir werden niemals einsam sein. Hast du auch so einen?

Und weißt du von wem die Rede ist?

Wenn Musik erwacht

Ich hatte einen Traum vor langer Zeit. Warum ich davon berichte? Weil träumen für mich selten geworden ist. Man sagt man verliert seine Fantasie im Laufe der Zeit. Ist es war?
Ich träumte von einem Saal. Marmorflächen säumten den Boden in Schwarz und Weiß, wie ein Schachmuster. Um mich herum wirbelten die Menschen, sie tanzten. Leise Musik floss durch den Raum. Ich konnte sie sehen. In einem strahlendem Blau zog sie sich in der Form eines Bandes durch den Raum und wickelte sich um die Menschen. Dort drüben stand ein junger Mann. Er hatte hellbraunes Haar und Augen der gleichen Farbe. Niemand im Raum schien mich zu bemerken. Außer ihm. Wie im Traum schritt er auf mich zu und bat mich um einen Tanz. Was sollte ich erwidern? Noch bevor meine Gedanken sich an die Situation gewöhnt hatten legte ich meine Hand in seine und ließ mich führen. Die Musik wurde schneller, im leuchtenden Grün durchflutete sie den Raum. War das hier Real? Das grüne Band zog sich enger um uns.
Seine Hände lagen auf meiner Taille und ich hatte das Verlangen, mich ihm zu näheren. Wieder veränderte sich die Farbe im Raum. Rot. Leidenschaft. Um mich herum tanzten die Paare enger, nun wirbelten die Röcke nicht mehr. Ich legte meine Hände auf seine Schultern und er zog mich an sich. Leise murmelte er meinen Namen. Woher musste er ihn? Es war egal.
Ich schaute auf um diesen wunderbaren Augen zu begegnen. In ihnen verlor ich mich. Nur am Rand bemerkte ich wie sein Gesicht sich meinem näherte. Ich kannte ihn kaum und doch so gut. Ein Name schoss mir durch den Kopf doch er entrann mir wie Wasser zwischen den Fingern.
Seine Hände hielten mich. Sein Puls war der meine. Ich schloss die Augen. Die Luft flimmerte zwischen uns und endlich schloss er auch die kleinste Lücke zwischen uns. Zaghaft tastete er sich auf dem scheinbar unbekannten Gebiet voran, unsere Körper bewegten sich weiter zur Musik. Langsam strichen seine Hände über meinen Rücken und ich stellte mich auf Zehenspitzen um ihm näher zu sein. Er war warm und sein Atem streifte meinen Hals…
Ich erwachte mitten im dunklem der Nacht. Ich spürte die kalte Nachtluft des offenen Fensters auf meiner Haut so wie Atem. Unter dem Balkon raschelte es. Doch als ich zum Fenster rannte, hörte man nichts außer leiser Musik. Ich erkannte das Lied. Der Name war…
Von diesem Tag an träumte ich nie wieder.